5 Jahre Kindertraube
Aufregende 5 Jahre sind vergangen, in denen ich hunderte Kinderseelen und Elternseelen begleiten durfte. Allein diese Zahl macht mich demütig und dankbar.
Diese 5 Jahre waren auch für mich ein Prozess des Wachstums. Was ist die Kindertraube und was mache ich da eigentlich? Diese Frage wurde mir oft gestellt und ich habe mich immer schwer getan, diese zu beantworten, weil meine Arbeit so vielfältig ist. Mal gab es Zeiten, in denen mich mehr Jugendliche aufsuchten, dann waren es wieder vermehrt Vorschulkinder oder unsere Kleinsten, die ihren Kummer mit Schreien ausdrückten. Was alle im Endeffekt gemeinsam hatten sind ein Stück weit Verletzungen an der Seele (wenn man das so nennen will). Immer wieder habe ich mich selbst gefragt, was ich denn nun eigentlich bin von Beruf. Mit Traumapädagogin oder dem Wort Coach kann ich nicht wirklich so viel anfangen. Ein Kind lieferte mir dann vor ein paar Wochen eine Bezeichnung, bei der ich schmunzeln musste. Es sagte: „Kannst Du bitte wieder mein Angsthäschen zähmen?“. Angsthäschenzähmerin- das finde ich eine sehr schöne Berufsbezeichnung, denn dabei geht es hauptsächlich in der Kindertraube: Die Angsthäschen von Groß und Klein zu beruhigen oder zu zähmen und vielleicht sogar zutraulich zu machen.
Oft werde ich mit der Erwartung konfrontiert, dass ich „alles gut“ machen kann. Dass die Probleme, Symptome oder unangenehmen Gefühle durch mich verschwinden. Das klappt in vielen Fällen ganz gut, nur leider geht das nicht immer. Anderen helfen zu wollen stellt einen selbst vor die Herausforderung nicht die Verantwortung für die Probleme und Heilung anderer zu übernehmen. Jeder ist im Endeffekt selbst für sich verantwortlich seinen Weg der Heilung zu gehen, auch wenn man nicht weiß wie. Allem voran steht der Entschluss ihn überhaupt gehen zu wollen und dann kann man sich natürlich professionelle Begleiter für diesen Weg zu Hilfe nehmen.
Vor ein paar Monaten flatterte das Bild des Engels der Heilung, den die liebe Sonja Sedlmaier gemalt hat, in meinen Behandlungsraum. Ich fragte mich, was genau denn Heilung in Bezug auf meine Arbeit ist. Für viele bedeutet es wohl die Symptome oder das Problem so schnell wie möglich zu entfernen. Aber was, wenn das nicht geht? Was brauchen wir denn wirklich um zu heilen oder mit was fangen wir an? Was ist auf Dauer gesünder für Kinder? Der Versuch ihre Probleme oder Gefühle schnell beiseite zu schieben, damit keine Gefühlsäußerungen (oder intensiveres Verhalten) gezeigt werden oder mitfühlend ein Gefühl/eine Gefühlsregung zu begleiten?
Wie fühlen wir uns richtig oder ganz? Was bringt uns wirklich weiter?
Meine Erfahrung ist, dass wir angenommen und wahrgenommen werden wollen. Dass wir auch den Raum brauchen für unangenehme Gefühle. Wir wollen wirklich gesehen werden, mit allem was da ist. Ohne Schönreden! Natürlich wollen wir Eltern am liebsten jeden Schmerz von unseren Kindern fernhalten. Doch was bringt ein Kind wirklich weiter im Leben? Ein „Stell Dich nicht so an“ , „alles halb so schlimm“ oder ein „ok- ich mache was Du willst damit (scheinbar) Ruhe ist“ oder ein „Ich sehe Dich in Deinem Schmerz – ich kann die Situation nicht ändern und ich bin da und halte das mit Dir aus!“ Weiterkommen tut man bestimmt mit jedem dieser Beispiele, nur was ist gesünder? Fühl mal rein! Bei welcher dieser Aussagen fühlst Du Dich wahrgenommen und verbunden? Bei welcher Antwort fühlst Du die wohltuende Wärme in Deinem Herzen, die den tatsächlichen Schmerz gleich etwas weniger schlimm sein lässt, ohne dass man eine Lösung für das Problem parat hätte.
Ich bin der Meinung, dass wir keine "für - uns - Problemlöser" brauchen. In so einer herausfordernden Zeit brauchen wir die Fähigkeit unangenehme Gefühle auch da sein zu lassen ohne andere dafür verantwortlich zu machen, dass sie unsere Welt (wenn auch nur durch Schein) wieder in Ordnung bringen. Und wir brauchen Menschen, die uns diesen Raum gewähren - unsere Gefühle mit uns aushalten. Dann lernen wir den Umgang mit unangenehmen Gefühlen/Situationen und brauchen keine Angst vor ihnen zu haben.
Damit kann man nie früh genug beginnen und es ist nie zu spät damit anzufangen! Diese Entscheidung darf jedoch jeder für sich selbst treffen!
Ich wünsche uns Kindern viele Momente des Wahrgenommen- und Angenommenseins.
In diesem Sinne, frohe Weihnachten und alles Gute für das neue Jahr!
Eure Sonja